Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit is lieblos

Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit
Ist lieblos,
Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit
Ist entehrend.

Friedrich von Bodelschwingh
Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit Ist lieblos, Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit Ist entehrend. Friedrich von Bodelschwingh

Liebe Mitglieder, liebe Freunde des Frauenbundes,

heute ist bereits der 02. Februar 2021 – also Lichtmess – im Jahr 2021. Wieder können wir uns zur Hauptversammlung nicht treffen, Corona macht es unmöglich. Da wir alle gesund bleiben wollen, bleiben wir daheim, soll nicht heißen, dass wir nicht miteinander in Verbindung bleiben: Telefonate, Emails, Karten, Online – Meetings, so viele Möglichkeiten der Verbundenheit.

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist …“ so die Jahreslosung, die uns durch diese Zeit begleitet.

Der Artikel vom Bundesminister a.D. Christian Schmidt im Dekanatsbrief Uffenheim spricht mich und  -vielleicht auch Sie – besonders an. Wir sind im Moment so sehr auf unsere Politiker angewiesen und manchmal etwas traurig oder sogar ärgerlich über Mitteilungen, die nicht sofort nachvollziehbar sind. Aber! Da wir in einem freien Land leben, können wir damit umgehen und Meinungen anderer Menschen respektieren. Das wird gerade von uns Christen erwartet.

So möchte ich Ihnen folgenden Artikel zusenden:


Christian Schmidt MdB, Bundesminister a.D.
stellv. Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender des EAK

Dekanatsbrief Uffenheim

Barmherzigkeit in der Politik?

Wer wüsste es als evang.-lutherischer Christ nicht aus dem Religions- und Konfirmandenunterricht: Gott ist gnädig und barmherzig.

Doch sind WIR das auch? Mit der Jahreslosung für das Jahr 2021 aus dem Lukasevangelium „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lk 6,36) sind wir Christenmenschen beauftragt, genau das zu sein: Barmherzig wie der himmlische Vater! Die Frage ist nur, wie geht das im alltäglichen Leben, geht das vor allem auch in der Politik? Diese Frage berührt mich persönlich nach dreißig Jahren als Bundestagsabgeordneter und nach über 12 Jahren als Mitglied der Bundesregierung. 

Doch – zunächst – was ist das eigentlich: Barmherzigkeit? Der Begriff scheint ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Von der Wortbedeutung her stecken die Worte „Herz“ und auch das „Erbarmen“ darin.

Es ist ein großes Wort der Bibel und in 2000 Jahren christlicher Kirchengeschichte. Es spricht von einem Herzen, das nicht einfach nur mitleidig zusieht, sondern sich öffnet für die Nöte des anderen, das hinsieht und hinhört, was der andere Mensch braucht.

Ein Herz zeigen für andere – gerade in der Politik scheint das von außen gesehen oft schwierig zu sein: Der politische Mitbewerber könnte ja die eigene Schwäche ausnutzen, da ist es doch besser, erstmal auszuteilen – zumindest verbal? Richtig ist sicher, dass eine missverstandene Barmherzigkeit ein Ungleichgewicht in eine Beziehung bringt, eine Art Gönnerhaftigkeit, die den anderen in eine niedrigere Position verweist. Das ist aber nicht die Barmherzigkeit, von der in der Jahreslosung 2021 und in der Bibel die Rede ist und um die wir uns bemühen sollen. Als Christen wissen wir: Gott ist barmherzig, weil er die Liebe in Person ist. Der Barmherzige fällt nicht über einen Schwächeren her, weil er weiß, dass er selbst ebenfalls nicht perfekt ist. Barmherzigkeit hat immer auch die eigene Unvollkommenheit und Bedürftigkeit im Blick.


Daraus erwächst auch eine Haltung der Verbindlichkeit. Im Alltag, vor allem auch im politischen Alltag, gibt es viele Gelegenheiten, Barmherzigkeit zu üben. Ich fühle mich als evangelischer Christ dem biblischen Menschenbild verpflichtet. Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und hat ein Recht zu einem würdigen Leben. Artikel 1 des Grundgesetzes bringt diese Überzeugung zum Ausdruck: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das Sozialstaatprinzip ist Ausdruck dieser barmherzigen Grundansicht, zugleich aber auch die Aufforderung, dass jeder Mensch möglichst etwas beitragen soll und darf zum Gemeinwohl und zur eigenen Existenzsicherung. 

Das Gegenstück in unserer gesellschaftlichen Realität ist für mich die Unerbittlichkeit. Gerade in den sozialen Medien zeigen sich manche Mitbürger unerbittlich, gnadenlos in der Bewertung anderer und keineswegs barmherzig. Ich halte es für eine Aufgabe, dem Verbindlichkeit entgegenzusetzen und nicht selbst unbarmherzig zu reagieren. Ich nenne diese Situation das „In-die-Tischkante-beißen“. Man muss Dinge nicht retournieren, aber man darf sie einordnen. 

Der Ton in den politischen Debatten ist leider in den letzten Jahren zunehmend rauer geworden, ein Umstand, der nicht nur Christen bedrückt. Aber Christen können vor dem Hintergrund der neuen Jahreslosung und dem biblischen Verständnis der Barmherzigkeit ihren Dienst für das Gemeinwohl einbringen und für einen barmherzigen Umgang miteinander werben: Im alltäglichen Leben und in der Politik. Ich will dazu meinen Beitrag leisten.


Ich denke, auch wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.

In der Hoffnung, dass wir uns im Frühjahr wieder treffen können, grüße ich Sie von ganzem Herzen

J. Stöckel mit allen Vorstandsfrauen